Rennbericht: Mit riesigem Chaos zur neuen Bestzeit

Das Rennwochenende startete mit gemischten Gefühlen. Ich hatte mich 3,5 Wochen vor dem Rennen an Knie und Sprunggelenk verletzt und musste 2,5 Wochen komplett aussetzen. Nicht die besten Voraussetzungen für einen IRONMAN-Start. Ich hatte in den letzten Monaten viel investiert und es ärgerte mich schon, dass ich kurz vor dem Wettkampf ausfiel. Eine Woche vor dem Rennen war ich dann das erste Mal auf den Rad. Locker 75km - Knie zwickte, aber alles soweit cool. In den nächsten Tagen steigerte ich die Belastung dann schrittweise, um einzuschätzen, ob ein Finish noch möglich sei. Naja… es ging so halbwegs, daher entschied ich mich am Freitag nach Hamburg hochzufahren. 
Freitag in Hamburg angekommen versuchte ich mich nochmal zu schonen, aber musste dann wegen Hotelbezug und Registrierung doch n paar Meter zu Fuß machen. Abends war das Bein wieder dick. Ich dachte mir: „Na das kann ja am Sonntag was werden“. Abends Knie nochmal getaped, Samstag Testschwimmen - 500m und nachmittags zum Rad-Checkin. Also Bike raus aus dem Kofferraum und ab zum Wechselgarten. Doch… Mist. Ich hab meine Steckachse fürs Vorderrad Zuhause liegen lassen. Ach du sch… und nun? Erstmal ab zum Bikeservice vom Veranstalter. Hat natürlich nix Passendes. Und dann begann 2,5 Stunden vor Check-In-Schluss ein Sprint quer durch Hamburg von Laden zu Laden. Kurz vor Ladenschluss erreichte ich dann noch einen Canyon-Servicepartner, der mir eine passende Steckachse verkaufen konnte. Boar… so… zurück mit E-Scooter und U-Bahn hab ich dann noch gerade so mein Rad einchecken dürfen. Puh… ich bin mental schon völlig durch. 😅

Sonntag - der Wecker klingelt 4:00 Uhr morgens. Die Nacht war ganz okay. 6 Stunden Schlaf - ich hatte mit weniger gerechnet. Knie zwickt etwas, wird aber besser, als ich den Neo bis zur Hüfte hochgepellt habe. 
4:45 Uhr - Ab zum Start! Flaschen ans Rad, Gels verstauen und nochmal auf‘s Dixie. 
Die Stimmung vor dem Rennen ist legendär. Man schaut sich um und scheint in den Augen der Menschen zu sehen, was man selbst fühlt. Eine Mischung aus Stolz, Entschlossenheit, Angst und Ehrfurcht.
Um 7 geht’s für mich ab ins Wasser. 3,8km Schwimmen und nicht viel Platz. Ich bekomme mehrfach eine übergezogen. Das Feld zieht sich bis zum Schluss auch nicht auseinander. Nach 1:08 h komm ich aus dem Wasser. An meiner Family-Supporter-Crew vorbei geht‘s ab in den Wechselgarten, Dixie, Umziehen und mit kleiner Tanzeinlage zum Bike. Auf dem Rad komme ich schnell in den Tritt. Halb, dreiviertel Neun geht’s das erste Mal über die Reeperbahn. Hier sind noch nicht alle Gäste vom Vorabend weggeräumt. Ganz witziger Anblick. Der Wind frischt auf und macht‘s mal leicht, mal schwer, aber alles in allem war die erste Runde echt schnell. Ab KM100 bekomme ich Magenprobleme. Nun kommen die ersten Zweifel auf. Hab ich zu viel gedrückt? Krieg ich das Radfahren mit dem Tempo zu Ende? Wie soll denn dann der Marathon hintenraus funktionieren? Schnell gerät man da in negative Gedankenstrudel. „Nach einem Tief kommt ein Hoch!“ so hieß es noch beim Race-Briefing. Und das mach ich auf der Radstrecke von da an zu meinem Mantra. Ich versorge mich mit etwas weniger Kohlenhydrate als geplant, werde das dann aber versuchen auf der Laufstrecke zu kompensieren. Nach 4:46 Std. beende ich die 2. Runde. 260 Watt Average lassen wieder Zweifel zu, ob man richtig gepaced hat. 
 
Im Wechselgarten angekommen geht’s wieder Richtung Dixie und dann ab auf die Laufstrecke. Meine Jungs und Anika warten am Start der Marathonstrecke. Alle nochmal einen dicken Kuss geben und Abfahrt. 

Die Laufstrecke ist grandios. Überall Hotspots mit persönlicher und musikalischer Unterstützung. Man wird von Kilometer zu Kilometer getragen. Am Ende jeder der 4 Runden wartet meine Familie. Ich realisiere bereits nach den ersten 2-3 Kilometer, dass das heute trotz aller Hindernisse im Vorfeld ein großes Ding werden kann. Ich verpflege mich an jeder Station mit Wasser, Cola, Salzwasser und einem Gel. Ich werde das bis zum Schluss so durchziehen. Angelaufen mit einer 4:45 min./km und einem Puls in der Green-Zone ist da definitiv eine Sub10 drin. Freude kam aber erst ab KM36 auf. Ich hatte bis fast zum Schluss Zweifel, ob ich das Tempo halten kann oder der Punkt kommt, an dem ich völlig einbreche, aber der Punkt kam nicht. 
Ich biege ab auf den roten Teppich und läute die Glocke. Die letzten Meter gehe ich bis zur Ziellinie. Ich will es komplett aufsaugen. Der Moderator begrüßt mich im Zielbereich: „Robert Pieper from germany - You are an Ironman!!!!“

9:30 Std. stehen auf der Uhr - Unfassbar!

Ich bin glücklich und freu mich meine Familie zu begrüßen. Nun geht’s ab in den Atheltengarten. Muskelschmerzen setzen nun ein und machen den Gang in kurzer Zeit sehr unrund. Dieser Bereich ähnelt einem Lazarett. Ich will natürlich erstmal unter die Dusche, aber das ist leichter gesagt, als getan. Isetz mich auf die Bank und zieh meine Schuhe aus und komm kaum hoch. Ich lache mit anderen Athelten gemeinsam über unsere kollektiven körperlichen Einschränkungen. 😅

Ob ich das so schnell wieder mache? Klar. In 10 Wochen stehe ich in Frankfurt am Start. Bis dahin werd ich meine Medaille erstmal nicht ablegen. 🖖😅

Liebe Grüße 

Euer Robert